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Rosa-Luxemburg-Konferenz, Berlin 2012

Mumia Abu-Jamal - Beitrag zur 14. Rosa-Luxemburg-Konferenz, Berlin 14. Januar 2012

Mumia entwickelt hier einen fiktiven Dialog mit Rosa Luxemburg über die aktuelle Occupy Bewegung. Er ist momentan extremer Isolationshaft im SCI Mahanoy Gefängnis ausgesetzt und konnte daher den Beitrag nicht selbst sprechen. Deshalb haben seine Tochter Samiya und seine Literaturagentin Frances Goldin seinen Beitrag für die Konferenz in Berlin eingesprochen.

Vielen Dank an alle, die mit diesem Video geholfen haben, Mumias Stimme aus der Isolation heraus hörbar zu machen. Solidarität ist eine Waffe!
FREE MUMIA!

Johanna Fernandez über Mumia Abu-Jamal

Johanna Fernandez sprach am 14. Januar 2012 auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz über die aktuelle Lage des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal. Sie erläuterte seine gegenwärtige Situation unter Isolationshaftbedingungen und legte den enormen Erfolg der Überwindung der Todesstrafe gegen Mumia dar. Ausführlich ging sie dabei auf die Situation von mehreren Hundertausend Gefangenen in den USA ein, die unter der Folter der permanenten Isolation z.T. für viele Jahre festgehalten werden.

Im zweiten Teil der Videoaufnahmen spricht die Historikerin Fernandez über die aktuellen Planungen der Solidaritätsbewegung, um endlich Mumias Freilassung nach über 30 Jahren Haft durchzusetzen. Sie geht dabei auch auf Mobilisierungen für den kommenden April 2012 in den USA und der BRD ein.

Teil 1 des Videos

Teil 2 des Videos

Mumia Abu-Jamal - Beitrag zur 14. Rosa-Luxemburg-Konferenz, Berlin 14. Januar 2012

aus der Total-Isolation im Gefängnis Frackville, Pennsylvania, am 5.1.2012

Meine Freunde! Wie geht es Euch?

Mumia Wir haben uns heute hier versammelt - 140 Jahre nach dem Geburtstag von Rosa Luxemburg, der ausserordentlichen Denkerin, Schrifstellerin, Aktivistin und Revolutionärin, die überall auf der Welt bis heute so vielen im Gedächtnis ist. Während ich an sie dachte, überlegte ich, was sie wohl von der Occupy-Wall-Street-Bewegung hier in den Vereinigten Staaten halten würde. Ich glaube, ich habe beim Lesen ihrer politischen Schriften und ihrer Tagebucheinträge im Gefängnis ein Gefühl für ihre Denkweise bekommen.

Ich denke, sie würde in der für sie typischen Unverblümtheit sagen:
"Das soll eine Bewegung sein? Falls überhaupt, dann ist das höchstens der Anfang einer Bewegung - denn Bewegungen führen zu Revolutionen oder, falls sie verraten werden, zu der Ar von Reformen, die oft in Rück- schlägen enden, besonders für die arbeitende Klasse und die Unterdrückten.
Das liegt daran, dass der Kapitalismus Bewegungen vereinnahmt - er kauft die Anführer, und wenn das nicht funktioniert, zeigt er die ihnen eiserne Faust unter dem Samthandschuh und zerschlägt sie."

"Wow", würde ich sagen und hinzufügen: "Aber das hier ist tatsächlich eine führerlose Bewegung von meist arbeitslosen Studenten und Studentinnen!"

Worauf Rosa etwas in der Art entgegnen würde wie: "Aha! Soso. Ich sehe da zwei mögliche Entwicklungen:
a) Entweder zeichnen die bürgerlichen Medien ein Bild von der gesamten Bewegung, bei dem alle wie Übeltäter, Sexbesessene oder Drogenabhängige aussehen (und zerschlagen sie dann) oder
b) die Polizeispitzel mischen sich unter sie, identifizieren Schlüsselpersonen und bieten ihnen lukrative Jobs im Finanzsektor oder anderen Firmenspitzen an; und wenn sie einmal gekauft sind, benutzen sie sie als Keil, den sie zwischen die ehemaligen Kameraden treiben."

"Mensch, Rosa - das ist aber ein ziemlich finsteres Bild", würde ich darauf entgegnen.

Und sie würde antworten: "Man nennt es Klassenkrieg, Mumia - und der ist keine Dinnerparty! Und da viele dieser Aktivisten und Aktivistinnen arbeitslos sind, kann das Kapital schon ein paar Pennies investieren, um die Wichtigten von ihnen zu kaufen."

Schliesslich würde ich dann noch erwidern: "Rosa - warum gehst du denn so dermassen auf sie los? Diese Kids machen doch wirklich ein paar bemerkenswerte Sachen!"

Und Rosa würde antworten: "Studenten können eine Bewegung initiieren, wie sie es überall auf der Welt getan haben. Aber können sie das auch durchhalten? Können sie die ArbeiterInnen begeistern? Die Lehrer und Lehre- rinnen, die Handelsleute, die Postgewerkschaften, die Transportarbeiter und -arbeiterinnen? Wenn sie das nicht können, dann können sie auch nicht wirklich zu einer gesellschaftlichen Macht mit dem Potential für Massen- streiks werden, die die Produktion zum Stillstand bringen - und das ist alles, was die Wall Street - - oder jeden Kapitalisten - - wirklich interessiert."

Und wieder ich: "Das hört sich gut an, Rosa - aber diese Studenten - -"

Sie unterbricht mich: "Jamal, jetzt hör mal - sei doch kein Dummkopf! Studenten - Schmudenten! Erstens - wenn sie fertig sind mit Studieren, dann sind sie keine Studenten mehr, sondern Arbeitslose! Zweitens - vor Jahren, als du ein junger Mann warst, da gab es riesige Studentenbewegungen - gegen den Krieg, für die Rech- te von Schwarzen und Gefangenen, es gab Anti-Imperialisten und so weiter und so weiter. Wo sind die jetzt? Sind sie etwa nicht gekauft worden? Oh, und das noch - sind nicht viele von ihnen die Eltern dieser Kinder?"

Da halte ich meinen Mund.

Ich hoffe, der kleine fiktive Dialog hat euch gefallen - geschrieben mit dem grössten Respekt für eine sozialistische Intellektuelle und Revolutionärin: Rosa Luxemburg.

Ich habe das Thema gewählt, weil es in den Vereinigten Staaten beim grössten Teil der Bevölkerung für nicht endenwollende Faszination sorgt, und weil es das Land im Sturm erobert hat.
Anfang September 2011 gab es nichts dergleichen. Aber die Ereignisse auf dem Tahier-Platz in Ägypten, die steigende Arbeitslosigkeit, die viele Studierende ebenfalls betrifft, und die wachsende soziale Ungleichheit in der amerikanischen Gesellschaft - beispielhaft sichtbar am obszönen Reichtum der Wall Street und der Banker, entwickelten eine Bewegung, die ihren tiefen Widerspruch zu diesen Verhältnissen ausdrückt.

Als junge Leute mit Handys und anderen schnell kommunizierenden Medien anfingen, zu einer Protestversammlung an der Stierstatue vor New Yorks Wall Street aufzurufen, die auf der ganzen Welt als Symbol für die entfesselten Märkte gilt, strömten Hunderte und dann Tausende herbei.
Und in Handumdrehen war eine Bewegung geboren. Innerhalb weniger Tage folgten ganze Schwärme von Studentinnen und Studenten dem Aufruf - vor allem zornig über die bodenlose Gier der ökonomischen Eliten - der 1%.

Sie stimmten die "Wir sind die 99%!"-Rufe an, und wieder dauerte es nur wenige Tage, bis ähnliche Besetzungen in Boston, Philadelphia, San Francisco, Oakland, Los Angeles und anderswo stattfanden. Innnerhalb von Wochen waren über 100 Stadtzentren - Heimat der Geldelite - besetzt. Aber richtig angeheizt wurde die Bewegung da- durch, dass Polizisten in New York jungen Frauen, die nichts anderes taten, als ein antikapitalistisches Transparent zu tragen, ganz ungeniert chemische Kampfstoffe ins Gesicht sprühten. Das Video erreichte über YouTube in Windeseile Millionen von Menschen und veranlasste viele, sich den Protesten anzuschliessen.

Rosa - ich bin sicher, du wärest begeistert gewesen!

Während ich diese Botschaft schreibe, droht mir zum ersten Mal, seit ich im Gefängnis bin, keine Todesstrafe.
Das verdanke ich ausschliesslich euch - und Menschen wie euch - die mit mir durch Dick und Dünn gegangen sind und zu mir gehalten haben.

Danke - vielen, viel en Dank - euch ALLEN, meine Brüder und Schwestern in Deutschland, in Frankreich, in Spanien, England, Kanada und Indien und in den Vereinigten Staaten - danke, dass ihr das möglich gemacht habt.
Ihr wisst, der Kampf geht weiter. Dieser Kampf wird erst vorbei sein, wenn wir alle frei sind.
Wie Mao sagte: "Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt."
Diesen Schritt haben wir gemacht. Wir sind einen Schritt näher an der Freiheit.
Lang lebe die rote Rosa!
FREIHEIT ! Freiheit für die Move-Gefangenen! Freiheit für Leonard Peltier!
Entlarvt den gefängnis-industriellen Komplex!
Meine Freunde - Bewegung! Auf Wiedersehen!

Aus dem Trakt für den Tod auf Raten, Mumia Abu-Jamal

Samyia (alias Rapperin Goldilocks) Frances Goldin Weil Mumia Abu-Jamal absurderweise JETZT schlechtere Haftbedingungen hat als lange Zeit zuvor und weder telefonieren noch Anrufe empfangen darf, sodass keine Aufzeichnung mit ihm möglich war, haben seine Tochter Samiya (alias Rapperin Goldilocks) und seine langjährige Literaturagentin Frances Goldin die Botschaft für ihn gesprochen.

Grussbotschaft von Mumia Abu-Jamal an die Rosa-Luxemburg Konferenz 2012
(Text Deutsch als pdf)

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